Archiv der bisherigen Preisverleihungen

2023 - Hilke Droege-Kempf

Die Pandemie ist vorbei – endlich konnte Soroptimist International Frankfurt am Main Help e. V. wieder den Dr. Gabriele Strecker Preis in großer Runde an eine engagierte und erfolgreiche Frau vergeben. Mehr als 100 interessierte Teilnehmer/innen kamen, um die Verleihung an Hilke Droege-Kempf in dem wunderbaren großen Saal des Auktionshauses Arnold mitzuerleben.

 

Dakesrede der Preisträgerin:
Liebe Soroptimistinnen, Liebe Alle,
ich möchte mich erst einmal bei den Soroptimistinnen dafür bedanken, dass die Wahl der gesuchten Person für den Gabriele Strecker Preis in diesem Jahr auf mich fiel und somit auch auf das Thema häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
Natürlich informierte ich mich, wer sind die Soroptimistinnen? welche Ziele verfolgen sie? wofür stehen sie?
Hier erfuhr ich, dass sie weltweit das größte Netzwerk berufstätiger Frauen mit gesellschaftspolitischem Engagement sind, und sie sich weltweit für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen einsetzen. Das gefällt mir sehr und ich freue mich über diese Ehrung. Auch freue ich mich, dass Frau Dr. Margrit Brückner bereit war die Laudatio zu halten. Sie wurde 1979 Professorin für Soziologie und Frauenforschung an der Fachhochschule Frankfurt. Ich war damals Studentin in ihren Vorlesungen. Wir lasen ihre Veröffentlichungen wie beispielsweise „die Liebe der Frauen - über das Verhältnis von Weiblichkeit und Misshandlung“, wofür sie 1984 den Elisabeth Selbert Preis erhielt. Sie ist seit 2001 Vorsitzende des Arbeitskreises „Häusliche Gewalt“ in der vom hessischen Justizministerium einberufenen Sachverständigenkommission. Wir im Verein Frauen helfen Frauen Frankfurt arbeiten mit Frau Dr. Brückner im Arbeitskreis Intervention gegen Gewalt gegen Frauen zusammen.Vermutlich ist ein Aspekt der Ehrung meiner Person auch der Tatsache zu verdanken, dass in den letzten fünf Jahren das Thema häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen und Mädchen wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist, das ist gut und wichtig! In den Fokus gerückt wurde das Thema häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen und Mädchen auch durch die Verpflichtende Umsetzung der Istanbul Konvention. Ein umfassender Menschenrechtsvertrag gegen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen und Mädchen. 47 Mitgliedsstaaten, wovon 34 Staaten unterzeichnet haben und 6 Länder unterzeichnet aber bis heute nicht ratifiziert haben. Die 6 Staaten, die nicht ratifiziert haben, sind osteuropäische EU-Mitgliedsstaaten. Russland und Aserbaidschan haben nicht unterzeichnet und die Türkei ist 2021 ausgetreten. 2023 hat nun die Europäische Union die Initiative ergriffen und die Istanbul Konvention unterzeichnet und somit eine Verbindlichkeit für alle EU-Mitgliedsstaaten hergestellt. Durch die jährlich erhobene Statistik des Landeskriminalamtes wissen wir, dass die Gewalt nicht abgenommen, sondern zugenommen hat. Die Frauenhäuser sind voll, und Frauen müssen wegen Platzmangel abgewiesen werden. Das gesellschaftliche Engagement in diesem Thema ist mehr denn je gefragt. Für mich persönlich ist der Tag heute ein schöner Abschluss meines beruflichen Engagements in der Arbeit mit den von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen im Verein Frauen helfen Frauen, 40 Jahre. Ein Abschluss als frauenpolitisch engagierte Frau ist es nicht.
Ich bin 1957 geboren und in einer Zeit aufgewachsen in der Männer in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Politik, im gesamten öffentlichen Leben das Sagen hatten. In meinem Geburtsjahr 1957 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf demGebiet des bürgerlichen Rechts. In diesem Zusammenhang wurde dann auch 1957 der Gehorsamsparagraf, der dem Ehemann alle Entscheidungen in gemeinsamen Angelegenheiten gesetzlich zubilligte, wie beispielsweise der Wohnort der Familie, im BGB
gestrichen. Erst ab 1962 konnte eine verheiratete Frau ohne Einwilligung des Ehemannes ein eigenes Konto eröffnen und 1977 kam die Reform Ehe und Familienrecht, wonach beispielsweise die Pflicht der Ehefrau zur Haushaltsführung abgeschafft wurde. Wir haben diese Abscheulichkeiten selten in Erinnerung, aber schauen wir uns die Bundestagsdebatten aus den 60er und 70er Jahren an, wird uns deutlich, wie es war, was sich verändert hat und was sich nicht verändert hat. Erst seit 1995 sind Abtreibungen unter bestimmten Bedingungen straffrei und erst seit 2004 ist häusliche Gewalt mit sämtlichen Straftatbeständen wie körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt,
Drohung und Nötigung ein Offizial Delikt. Meine 40 Jahre im Verein Frauen helfen Frauen Frankfurt sind im Rückblick aber auch ein Ritt durch die Geschichte der autonomen Frauenhäuser. Der Verein Frauen helfen Frauen Frankfurt wurde 1976, von Akteurinnen der Frauenbewegung gegründet, und 1978 konnte eine Zuflucht mit 40 Plätzen für misshandelte Frauen eröffnet werden. Die Arbeit beginnt zunächst ehrenamtlich. Das Ausmaß der Gewalt, mit der die Aktivistinnen konfrontiert wurden und die Bedürfnisse der Frauen und Kinder, die von der Gewalt oft schon viele Jahre betroffen waren, erforderte eine kontinuierliche Unterstützung der Frauen und Kinder, es wurde schnell deutlich, dies konnte ehrenamtlich nicht geleistet werden. Die Ehrenamtlichkeit war darüber hinaus, wenn auch in den Anfangszeiten der Frauenhausbewegung eine Notwendigkeit, um die Arbeit in den Schutzhäusern zu beginnen, ein Politikum. Ehrenamtliche Arbeit im sozialen Bereich wurde fast ausnahmslos von Frauen in unserer damaligen Gesellschaft geleistet, darüber hinaus leisteten die Frauen neben der Familienarbeit auch noch die Pflege der Eltern und Schwiegereltern. Die Schieflage im Geschlechterverhältnis wurde hier besonders deutlich. Die Berufstätigkeit der Mütter unserer Generation stellte eher eine Ausnahme dar. Das Mutterbild immer noch geprägt durch eine Zeit, in der Mutterschaft erhöht, die Frauen aber unterdrückt und erniedrigt wurden. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen erschien uns unabdingbar in unserem Kampf um Gleichberechtigung und Teilhabe in einer Gesellschaft, und sie ist es bis heute. Die Forderung war – soziale Arbeit muss bezahlt werden, die Arbeit in den Frauenhäusern muss bezahlt werden. 1982 begann ich als Studentin der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Frankfurt ein Studienbegleitendes Praktikum im autonomen Frauenhaus des Vereins Frauen helfen Frauen. Ich war in meinen Anfängen im Frauenhaus bereits politisch und vor allem frauenpolitisch interessiert. Es war die Zeit der kritischen Sozialarbeit, entstanden durch die 68 Bewegung und der daraus hervorgegangenen Frauenbewegung. Es entstanden viele soziale Projekte. Beratung von Frauen durch Frauen in den Bereichen, feministische Mädchenarbeit, Hilfe für Prostituierte, Mütterarbeit in den neu geschaffenen Mütterzentren, Frauenhäuser und Beratungsstellen im Kontext häuslicher Gewalt. Es war auch die Zeit der kollektiv organisierten sozialen Projekte. Die Notwendigkeit dieser Arbeit und der kollektive Arbeitsansatz, um gemeinsam die Arbeit in den Häusern durch Diskussionen und Erfahrungen zu entwickeln, überzeugte mich, und überzeugt mich noch heute.Ich habe den Verein nach meinem Praktikum nicht verlassen, sondern arbeitete unbezahlt, neben dem Studium, im Frauenhaus weiter. Später erfolgte nach dem Anerkennungsjahr eine Anstellung. Die Entwicklung der notwendigen Arbeit in den Häusern und die Professionalisierung der Arbeit schritt voran und war auch für die Frauen und Kinder, die Zuflucht suchten, eine gute Entwicklung. Die kollektive Organisationsform ist bis heute die Grundlage frauenpolitischer Arbeit und frauenpolitischen Handelns im Verein Frauen helfen Frauen Frankfurt. Wir, die wir in den Häusern arbeiten sind mit einem der Kernthemen des menschlichen Lebens, nämlich Liebe und Partnerschaft in all ihren Ausformungen konfrontiert und damit auch immer mit uns selbst. Mit unseren Werten, wie lebe ich als Frau in unserer Gesellschaft - wie leben andere Frauen in dieser Gesellschaft. Wie lebe ich in meiner Partnerschaft, was kritisiere ich, was möchte ich für mich und Andere in dieser Gesellschaft verändern, welche Forderungen stellen wir, stelle ich. Wir, in den autonomen Frauenhäusern sind definitiv parteiisch für die Frauen und die Kinder der Frauen, und wir begreifen uns als Lobby für die Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.
Nach schweren Zeiten der Auseinandersetzung in einer Gesellschaft die sich damals, in den Anfängen sehr schwer tat in der Anerkennung des Problems häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind wir heute anerkannte Fachfrauen im Thema und in vielen Gremien mit diesem Arbeitsschwerpunkt vertreten und aktiv an Veränderungen beteiligt. Die Frauen, die in den Jahrzehnten in unseren Schutzhäusern Zuflucht suchten, kamen aus fast allen Kulturen. In der Arbeit im Frauenhaus bilden sich nämlich auch immer Geopolitische Ereignisse wie Arbeitsmigration, Kriege, Bürgerkriege, Hunger und Umweltkatastrophen ab. So hatte beispielsweise die Fluchtbewegung von 2015 bis heute einen großen Einfluss auf unsere Arbeit. Frauen aus Ländern, in denen die Patriarchale Gewalt im Gesetz und der Auslegung der Religion verankert ist, sind nach der Flucht häufig weiterhin diesen Unterdrückungen durch den Partner ausgesetzt.
Umso wichtiger sind die Themen Bildung und finanzielle Unabhängigkeit für die Frauen und Mädchen auf dem Weg in ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben – und da sind wir wieder zum Schluss auch bei den Grundsätzen und Zielen der Soroptimistinnen wie ungehinderten Zugang zu Bildung und Ausbildung für Frauen und Mädchen und die
wirtschaftliche Unabhängigkeit und dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit von Frauen. Jetzt würden viele sagen, das ist in unserer Gesellschaft doch bereits umgesetzt. Geschlecht ist nach wie vor eine wichtige Dimension sozialer Ungleichheit. Nach wie vor stehen Frauen in der Hierarchie am Arbeitsplatz unterhalb der Männer. Sie unterbrechen häufiger ihre Erwerbstätigkeit, arbeiten, wenn sie Kinder haben mit reduzierter Stundenzahl, was nicht selten in die Altersarmut führt und vor allem aber auch in die Abhängigkeit vom Partner oder der Partnerin. Hier bedarf es beispielsweise anderer Konzepte, Angebote, Regelungen und vor allem gesetzlicher Grundlagen.
Und noch etwas Schönes zum Abschluss! Eine sehr wichtige Forderung des Verein Frauen helfen Frauen konnte jetzt in diesem Jahr umgesetzt werden, nämlich die beschleunigte Vermittlung betroffener Frauen vom Frauenhaus in eine eigene Wohnung durch die Änderung der Vergaberichtlinien beim Wohnungsamt für Gewaltschutzfälle. Die Maßnahmen, die hier getroffen wurden, sorgen dafür das Schutzplätze schneller wieder frei werden, denn nach wie vor sind viele Frauen auf der Suche nach freien Plätzen.
Hier an dieser Stelle bedanke ich mich auch nochmal in Namen des Vereins bei den frauenpolitischen Sprecherinnen der Parteien, die unsere Forderung unterstützt haben.
So, jetzt bin ich am Schluss angekommen - Danke für Ihre Geduld und vielen Dank an die Soroptimistinnen für den schönen Preis!

 

2021 (2020) - Rabbinerin Professor Dr. Elisa Klapheck

Soroptimist International Club Frankfurt am Main

zum 10. Mal verleiht SI Club Frankfurt am Main den Gabriele Strecker Preis und zeichnet Frau Prof. Dr. Elisa Klapheck als eine jüdisch-feministische Theologin aus, die sich für die Sichtbarkeit und Gleichberechtigung von Frauen in Religion, Gesellschaft und Politik, ein lebendiges und liberales Judentum in Deutschland sowie das Gespräch unter den verschiedenen Religionen eingesetzt hat. Mit diesem Engagement ist sie ein Vorbild für alle Frauen, die traditionelle patriarchalische Kulturen verändern wollen.

Laudatio

רְאֵ֗ה

אָנֹכִ֛י נֹתֵ֥ן לִפְנֵיכֶ֖ם הַיּ֑וֹם

בְּרָכָ֖ה וּקְלָלָֽה:

 

Martin Buber verdeutscht:

Sieh, ich gebe heuttags vor euch hin Segnung und Verwünschung, Und weiter lesen wir: die Segnung, wofern ihr hört auf SEINE eures Gottes Gebote, die ich heuttags euch gebiete, die Verwünschung, wenn ihr nicht hört auf SEINE eures Gottes Gebote. So heißt es im 5. Buch Moses, 11,26
Und so hieß es oft im Leben von Elisa Klapheck:
Aus einer verwunschenen festgefahrenen Situation nicht nur herauskommen, sondern aus Problemen Chancen machen – als Segnung, um im Bibelzitat zu bleiben!
Ich lernte Elisa Klapheck Mitte der 1990er Jahre in alternativen jüdischen Zirkeln kennen, die sich auch im Umfeld der damals von mir geleiteten jüdischen Kulturtage, aber auch auf Seminaren von Kulturakademien wie z.B. 1995/96 in Arnoldshain, bildeten: Die Situation hätte nicht trostloser sein können: Die Zahl der seit 1945 in Deutschland lebenden Juden war auf ein paar Zehntausend gesunken, das jüdische Gemeindeleben war in der Hand weniger zwischenzeitlich extrem gealterter Gründungspersonen, die allesamt der Meinung waren, sie wären die letzten der Überlebenden und sie würden jüdisches Leben in Deutschland mit ins Grab nehmen. Selbst die Frauen unter ihnen hatten zur jüdischen Erneuerungsbewegung aus feministischer Perspektive keinen Kontakt, kein Interesse, ja eher sogar wie ihre männlichen Kollegen Angst davor, ihre Friedhofsruhe könnte gestört werden. In diese verwunschene Situation hinein erfolgte der große Zuzug russischsprachiger Juden: Äußerlich gab es eine Renaissance jüdischen Lebens – aber es gab zu dieser Zeit keine einzige Rabbinerin in Deutschland – ein verwunschene Situation:
Dennoch:
Es einige wenige junge oder auch geistig Junggebliebene - Frauen wie Männer! Sie trafen sich im Umfeld der vier liberalen Persönlichkeiten: Rabbiner Henry Brandt, Rabbiner Nathan-Peter Levinson, Professorin Pnina Navé-Levinson oder Rabbiner Ernst Stein – und Elisa Klapheck und ihre Mitstreitrinnen und Mitstreiter bekamen von ihnen für ihre grasswood Aktivitäten Rückenwind.
Dennoch: in diese verwunschene Situation - in diese Ödnis hinein hinein gründet Elisa Klapheck 1997/98 Beth Debora – und aus einer Rosch Chodesch Gruppe formte sich ein egalitärer Minyan – ein Gebetsquorum, das dann innerhalb weniger Jahre eine neue Synagoge in Berlin wurde: Hier tragen Frauen die gleiche Verantwortung für die Gestaltung und Durchführung des Gottesdienstes wie Männer – Elisa Klapheck war in der Nachkriegsgeschichte Berlins, wenn nicht Deutschlands ganz sicher die erste Frau die im Rahmen eines öffentlichen Gottesdienstes aus einer Torarolle geleynt – das heißt im traditionell Vortragsstil hebräische Bibeltexte vorgetragen hat.
Wir haben dann bis 2001 fast vier Jahre sehr eng im Vorstandsbüro der jüdischen Gemeinde zusammengearbeitet. Ich bezweifele, dass wir uns immer einig waren, aber ich weiß, dass unsere Einschätzung die gleiche war: Will man die Zeit der geistigen Armseligkeit, die Zeit der Verwünschung, beenden, müssen hier in Deutschland sozialisierte Personen in der Tradition des deutschen Judentums die geistige Führung übernehmen.
In diese Verwünschung hinein entsteht die historische Arbeit für das Buch über Rabbinerin Regina Jonas.
Die “1999 erschienene Edition der ’’Streitschrift” der nachweislich ersten Rabbinerin des 20. Jahrhunderts, Regina Jonas, mit der Frage "Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden" hat Elisa Klapheck nicht nur allen wissenschaftlichen Standards entsprechend sorgfältig ediert sondern auch mit einer fundierten und bis heute unübertroffenen Biographie versehen. Das Buch Elisa Klaphecks war und ist der Meilenstein in der historischen Erschließung dieser wichtigen Person und dieser für das Amt der Rabbinerin unverzichtbaren Streitschrift, die über viele Jahrzehnte vollkommen in Vergessenheit geraten war, ja möglicherweise bei der Institutionalisierung des weiblichen Rabbinats in den 1960er Jahren in den USA nicht bekannt war.
Dennoch erstarrt Elisa Klaphecks nicht vor der historischen Gestalt und erarbeitet sich in Lernzeiten in Boulder, Colorado und in Eylat Chaim im Bundesstaat New York, eine Ordination durch R'Zalman-Schachter Shalomi. Eine charismatische Gestalt! R'Zalmans Mantra war, Rabbiner wird man, wenn man schon genügend Lebensjahre und Erfahrungssringe gesammelt hat, wenn man durch Höhen und Tiefen gegangen ist: Dann wird man lehrende Person im Judentum. So Elisa Klapheck 2004.
Auch im Jahr 2004 ist dann endgültig die Arbeit im Vorstandsbüro mit meinen Nachfolgern beendet. Es folgen vier Jahre im Beth HaChidusch in Amsterdam. Unter einem Dach mit orthodoxen Synagogen Frankfurt: ein in der jüdischen Welt viel beachtetes dennoch: Rabbinerin des egalitären Minyan.
Fast nebenbei die Promotion über Margarethe Sussmann: Die Arbeit bettet die Erkenntnisprozesse und die Interessen Susmans in den Kontext ihrer Zeit ohne die Bezüge zu gegenwärtigen Fragestellungen aus dem Blick zu verlieren. Elisa Klapheck versteht es, das nahezu vergessene Werk Susmans im Kontext des inneren Zusammenhangs zwischen Religion und Politik für die Gegenwart fruchtbar zu machen, denn es gelingt Elisa Klapheck das Anliegen Susmans das "Gesetz Gottes” nicht theokratisch zu verstehen, sondern als Anteil einer an säkularen gegenwärtigen Gesetzen darzustellen. Ohne Elisa Klaphecks fundierter Arbeit ist die politische Philosophie Susmans nicht mehr zu verstehen - es ist wie bei der Streitschrift Regina Jonas: Elisa Klapheck hat ein Grundlagenwerk geschaffen, das dieser Tage auch in eine englischen Übersetzung erscheint.
Elisa Klaphecks Reflektion über "das religiös-säkulare Spannungsfeld des Judentums" ist ein spannender Versuch ein seit Jahrzehnten intellektuell vermintes Problem auf 30 kleinen Druckseiten zu umkreisen. Dabei legt sie ihr Credo offen: Sie plädiert "für ein Festhalten an den religiösen Traditionen, allerdings mit der Notwendigkeit ihrer Erneuerungen."
Wenn man so will: Religiöse Traditionen bejahen und dennoch Erneuerungen möglich zu lassen.
2017 hielt Elisa Klapheck eine Antrittsvorlesung in Paderborn, wo sie als Professorin am Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften der Universität Paderborn lehrt und forscht und dennoch als Rabbinerin in Frankfurt und als Teil der allgemeinen Rabbinerkonferenz präsent und prägnant zu sein.
Die von ihr publizierten Aufsätze und Sammelbände sind deshalb so relevant und interessant, weil ihre wissenschaftlichen Ansätze zum einen gegen den Strom konzipiert sind, andrerseits weil sie sicher verankert im deutsch-jüdischen Denken sind. Elisa Klapheck kommt nämlich aus einem säkularen deutsch-jüdischen Background – mit der Kindheitserfahrung in der Schoa ermordeter Familienmitglieder. Das Jüdische in ihrem Background ist keine frömmelnde Folklore, sondern sicher verankert in jener Melange, die das deutsch jüdische ausmacht: verankert in der Tradition und dennoch die Moderne fest im Blick. Elisa Klapheck ist in Düsseldorf und den Niederlanden aufgewachsen und hat in ihrem ersten professionellen Leben nach einem Studium in Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Judaistik als Journalistin und Redakteurin für Zeitungen wie Der TAGESSPIEGEL und der TAZ, für Hörfunk und TV mit Themenschwerpunkten wie die Öffnung Mittel- und Osteuropas nach der Wende gearbeitet.
In einem Gespräch mit mir hat sie einmal festgestellt, dass es ihr um die Wiederbelebung des liberalen Judentumes ginge – das hat sie und das hab auch ich gemacht – manchmal zusammen, manchmal nebeneinander, manchmal nicht wissen, das der andere etwas ähnliches vorhat, aber ohne Förderung durch das jüdische Establishment hierzulande. Elisa Klapheck ist das beste Beispiel für das, was Leo Baeck bei der Charakterisierung jüdischer Geschichte einmal als Konsequenz gezogen hat: Die jüdische Geschichte ist ein Ewiges Dennoch.
Elisa Klapheck hat mit ihren Studien aber auch mit ihrem Tun, aus Problemen Chancen gemacht – hat ganz wesentlich Anteil daran, dass es wieder modernes Judentum in Deutschland gibt. Sie hat an vielen Stellen wesentliche Weichen gestellt, hat mitentschieden, dass es nicht Verwünschung, sondern Segnung wurde:
oder wie es in der Tora heißt:
Sieh, ich gebe heuttags vor euch hin Segnung und Verwünschung, die Segnung, wofern ihr hört auf SEINE eures Gottes Gebote, die ich heuttags euch gebiete, die Verwünschung, hört ihr nicht auf SEINE eures Gottes Gebote.
Elisa hat das Richtige gehört!
Masal Tow!

 

 

 

  

 

 

2018 - Nadia Qani

Zum neunten Mal hat der Soroptimist Club Frankfurt am Main am 6. Juni 2018 seinen Dr. Gabriele Strecker Preis verliehen.Die Preisträgerin war Nadja Qani, die unsere Benefizveranstaltung zugunsten des Flüchtlingscafes Milena als Teilnehmerin an der Podiumsdiskussion unterstützt hat. Nadia Qani, 1960 in Kabul/Afghanistan geboren, musste 1980 das Land verlassen. Sie floh über Pakistan und London nach Deutschland. Angekommen in Frankfurt, stand die junge Frau mit ihrer Familie vor dem Nichts. Nadia Qani arbeitete u.a. als Kassiererin im Baumarkt, als Putzfrau und als Bürokraft, zog nebenbei zwei Söhne groß. Und sie arbeitete sich langsam aber sicher nach oben. 1993 gründete sie einen ambulanten, kultursensiblen Pflegedienst. Nadia Qani wurde für ihre unternehmerische und soziale Leistung mehrfach ausgezeichnet: Sie ist Frankfurterin des Jahres, Unternehmerin des Jahres und hat 2009 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Frau Qani ist ein Beispiel dafür, dass alles möglich ist - eine starke Frau und ein großartiges Vorbild für viele. 

2016 - Dr. Susanne Gaensheimer

Soroptimist International Club Frankfurt HELP e.V. hat den Dr. Gabriele Strecker Preis 2016 Dr. Susanne Gaensheimer zugesprochen. Die Preisverleihung erfolgte im Rahmen eines Festakts am 2. Juni 2016.

Frau Dr. Gaensheimer, Direktorin des MMK Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main, versteht sich als Vermittlerin der Gegenwartskunst. Ambitioniert und progressiv bringt sie selbst schwer zugängliche Werke ihrem Publikum aus allen Generationen nahe. Besonders die Präsentation von kunstschaffenden Frauen der Gegenwart ist ihr ein Anliegen. Sie denkt und handelt in internationalen Zusammenhängen und festigt den Ruf Frankfurts als Kulturmetropole von Rang.

 

2014 - Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken

Frau Prof. Dr. Bohnenkamp-Renken ist ein Beispiel für die Stärke von Frauen. Ihr außergewöhnliches Engagement gilt dem Bau des Deutschen Romantik-Museums in Frankfurt am Main, in dem die einzigartige Sammlung von Zeugnissen aus dieser Zeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Die Frankfurter Soroptimistinnen würdigen und unterstützen diesen Einsatz.

2012 - Steffi Jones

Die Frankfurter Ausnahmefußballerin Steffi Jones, Direktorin für Frauen-/Mädchen- und Schulfußball des Deutschen Fußball-Bundes, engagiert sich beispielhaft auf gesellschaftspolitischem Gebiet. Sie setzt sich in hervorragender Weise für Kinder und Jugendliche ein, fördert ein faires und sportliches Miteinander sowie Verantwortungsbereitschaft im Team. Sie hat sich als Kämpferin für ein humaneres Miteinander gezeigt, sie ist ein Vorbild für Teamgeist und Fairplay, sie hat die Position und das Selbstbewusstsein von jungen Menschen nachhaltig gestärkt. Sie bekämpft Drogenmissbrauch und Ausgrenzung. Sie ist ein Beispiel für die Stärke von Frauen und Mädchen.

2010 - Virginia Wangare Greiner

Virginia Wangare Greiner bietet in Deutschland ihren afrikanischen Landsleuten mit großem Engagement praktische Hilfe bei der Integration an. Sie eröffnet damit den Migranten in einer fremden Lebenswelt neue Perspektiven, sie fordert auf zur Selbstverpflichtung und Verantwortungsbereitschaft und leistet damit einen wichtigen Beitrag für das friedliche Zusammenleben verschiedener Ethnien.
Nicht nur in Frankfurt, auch in zahlreichen nationalen und übernationalen Gremien und Vereinen sind ihr Rat und ihre Erfahrung gefragt.
Die Frankfurter Soroptimistinnen würdigen und unterstützen diesen Einsatz
und zeichnen deshalb Virginia Wangare Greiner mit dem Dr. Gabriele Strecker Preis aus.

AKTUELL:
Am 25.01.2018 wurde unter hessenschau.de ein Bericht über Virginia Wangare-Greiner veröffentlicht: "Genitalverstümmelung. Wie eine Sozialarbeiterin in Frankfurt beschnittenen Frauen hilft".
 

2008 - Schwester Sigrid Ehrlich

Mit dem Dr. Gabriele Strecker Preis 2008 würdigen die Frankfurter Soroptimistinnen die wichtige soziale Arbeit der Franziskanerin Sr. Sigrid in dem von ihr gegründeten Verein „Lichtblick aktiv Schwester Sigrid e.V.“ Seit 15 Jahren engagiert sich die Ordensfrau aufopferungsvoll, mutig und unbürokratisch für solche Mitbürger, die am Rand der Gesellschaft leben, die krank, arbeitslos, verzweifelt und obdachlos sind und auf Rat und Hilfe Dritter besonders angewiesen sind. Über konfessionelle und politische Grenzen hinweg gelingt es ihr, Spenden und Förderungen für ihre karitative Einrichtung zu erhalten und damit humanere Lebensbedingungen zu verwirklichen für diejenigen, die ihr besonders am Herzen liegen.

2006 - Dr. Eva Brinkmann to Broxten

Die Stifterin Eva Brinkmann to Broxten hat sich der Förderung von Frauen in Wissenschaft und Kunst verschrieben. Im Profil ihrer Maecenia-Stiftung schlägt sich nieder, dass sie damit zukunftweisende Projekte im Blick hat, die aus der Perspektive von Frauen einen kritischen und konstruktiven Dialog mit der Öffentlichkeit suchen; Projekte, die die besondere Leistung und das Werk von Frauen publik zu machen geeignet sind und damit ihre Präsenz in der Öffentlichkeit stärken. Durch Ihre Initiative leistet Eva Brinkmann to Broxten einen ganz wesentlichen Beitrag zu einer humanen Gesellschaft.

2004 - Ulrike Helmer

Wir würdigen mit der Auszeichnung an Ulrike Helmer ihr deutliches frauenpolitisches Engagement, das sich u.a. im Programm ihres Verlages niederschlägt. Wir würdigen damit auch die Professionalität und Kreativität, mit der es ihr gelingt, in wirtschaftlich unsicheren Zeiten einen unabhängigen Verlag zu managen und eine Vielfalt von anspruchsvollen und originellen Titeln anzubieten. Ihr kommt das Verdienst zu, die Gender- und Frauenforschung sicher in der literarischen Welt zu verankern. Der kritische Blick auf die Geschlechterverhältnisse steht neben wissenschaftlicher Fachliteratur, Belletristik und Forschungsreihen im Zentrum des Ulrike-Helmer-Verlags.

2002 - Ursula Hillmann

Mit Ursula Hillmann zeichnen die Frankfurter Soroptimistinnen eine Fotografin aus, bei der sich auf überzeugende Weise gesellschaftspolitisches Engagement und hohe künstlerische Professionalität verbinden. Großen Raum nimmt die sozial engagierte Fotografie ein. Ursula Hillmann macht mit ihrer Kamera sichtbar, was in der Mediengesellschaft sonst wenig Chancen auf Anerkennung und Wahrnehmung hat und was sich der öffentlichen Wahrnehmung sonst entzieht. Sie stößt einen Dialog an, der beide Seiten bereichert, sie übt Fürsprache. Hier ist der Blick einer Soziologin, die Chiffren sucht für den Zustand unserer Gesellschaft.


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